Die Diät des Minimalisten

Was meine Ernährung betrifft, experimentiere ich gern hin und wieder und rufe damit regelmäßig gemischte Meinungen auf den Plan. Dabei sind meine Herangehensweise und Motivation hinter Ernährung im Grunde recht simpel.

Oft genug bekenne ich mich als Vegetarier, Anti-Alkoholiker, Zuckerverweigerer und intermittierend Fastender. Die Reaktionen darauf fallen wechselhaft und doch irgendwie immer wieder gleich aus: Einerseits Kritik, dass so ein Leben ganz ohne Alkohol, Fleisch und raffinierten Zucker doch nicht gesund sein könne, andererseits Bewunderung und Bekundungen, man das selbst nicht durchhalten würde auf so viel zu verzichten oder nur zwei Mal am Tag zu essen. Manche schlussfolgern fälschlicher Weise, dass ich nicht gern esse, dabei ist das genaue Gegenteil der Fall, denn Essen ist eine meiner großen Leidenschaften. Entsprechend nimmt es einen großen Raum in meinem Leben ein.

Nüchtern betrachtet erfüllt es vier Funktionen:

  1. Es versorgt uns mit Energie und allen für unseren Körper nötigen Stoffen.
  2. Es beseitigt das leidige Hungergefühl.
  3. Es bietet sich als Genuss dar, wenn wir es verzehren.
  4. Es fungiert als soziales Bindeglied.

In der Realität werden all diese Funktionen nur idealerweise erfüllt. Billiges Essen versorgt uns zwar ebenfalls mit Energie, aber nur bedingt mit allen Stoffen, die unser Körper benötigt. Außerdem macht es nicht satt. Geschmack ist bekanntlich verschieden. Wenn wir uns nur schnell zwischen Tür und Angel irgendwelches Industriefutter reinwerfen, nehmen uns auch keine Zeit für die soziale Interaktion beim Mahl. Wer allein isst, stirbt auch allein, sagt man übrigens in Israel.

Meine Ernährung im Wandel der Zeiten

Natürlich sah meine Diät nicht immer so aus wie heute. Das war ein langer Prozess in vielen kleinen Schritten.  Hin und wieder probiere ich nämlich gern mal kleinere, mal größere Veränderungen in meiner Ernährung aus. Rückblickend sieht meine Speiselebenslauf aus wie folgt:

1991 – 2010

Während meiner Kindheit wurde ich maßgeblich durch meine Familie im Vogtland geprägt. Entsprechend bestand meine Versorgung nach Muttermilch und selbst gekochtem Brei getreu traditioneller Thüringer Küche viel aus Fleisch und Kuchen. Von letzterem gab es früher jeden Tag einen neuen. Wie wahrscheinlich die Mehrheit aller Kinder in Industrienationen entwickelte ich eine Abneigung gegen die meisten Gemüse und Vorliebe für Süßes, die man mir aufgrund meines hyperaktiven Stoffwechsels allerdings nicht ansieht. Obwohl Mutti auf eine ausgewogene Ernährung achtete und zunehmend mehr selbst kochte und backte, lehnte ich alle Gemüse außer rohen Möhren und Kohlrabi sowie Erbsen, Gurke, Kartoffeln oder Tomaten,  letztere aber nur in Form von Ketchup ab. Und Pilze sowieso, denn die erregten aufgrund ihrer Textur und ihres Geschmacks sofortigen Brechreiz, wenn sie mir doch einmal untergejubelt wurden. Gleiches gilt für Brokkoli, Paprika und Rosenkohl.

Obwohl ich Tiere liebe, esse ich sie und verdränge etwaige Schuldgefühle. Ist ja schließlich auch lecker und eine Roster hat mit dem süßen, vergnügt quiekenden Ferkel im Stall des Bauernhofs, auf dem wir jährlich unseren Urlaub verbringen, gar nicht so viel gemein. Außerdem färbt bereits das Gesundheitsbewusstsein meiner Eltern auf mich ab: Als wiederkehrend Berichte über die karzinogene Wirkung von Acrylamid in den Medien publiziert werden, verbanne ich vorübergehend alles Frittierte rigoros aus meinem Speiseplan, nachdem mein Urgroßvater an Krebs stirbt, obwohl ich doch so gern Chips und Pommes esse. Ein Muster, das sich noch häufiger in meinem Leben wiederholen soll.

2010

Ich studiere in Dresden, habe einen bekennenden Vegetarier als Mitbewohner und setze mich das erste Mal selbst mit meiner Ernährung auseinander, denn abseits der Mensa kochen weder Mutti, noch Schulkantine, noch Armee für mich. Und Geld sparen muss ich auch. Meine Tierliebe gewinnt erstmals Überhand und ich beschließe, zumindest meinen Fleischkonsum zu reduzieren und nur noch “gutes” Fleisch zu essen, um es wieder zu einem Genuss zu machen. Denn das war es bei täglich bis zu drei fleischhaltigen Mahlzeiten definitiv nicht mehr.

Nach und nach reduziere ich meinen Fleischkonsum immer weiter, bis ich feststelle, dass ich auch ohne ganz gut auskomme und ohnehin nie selbst ein Tier schlachten würde. Also beschließe ich, es ganz bleiben zu lassen mit dem Fleischkonsum. Als ich meinen Eltern davon erzähle, mich fortan nur noch vegetarisch zu ernähren, berichten sie mir, dass jüngst ohnehin nur noch Fleisch gekauft hatten, wenn ich zu Besuch war. Gemeinsam geht es einfacher, insbesondere bei hämischen Bemerkungen der übrigen karnivoren Familie. ;)

Außerdem kaufe ich zunehmend im kleinen Bioladen um die Ecke und vermeide Einwegmüll, wo es nur geht.

2013

Ich sehe in Veganismus eine ethisch noch konsequentere Ernährung und probiere das einfach mal. Nahrungsergänzungsmittel lehne ich als unnatürliche Ernährung allerdings ab, ohne genauer zu definieren, was das denn eigentlich sein soll, eine natürliche Ernährung. Aufgrund meines immer noch sehr regen Stoffwechsels verliere ich binnen weniger Wochen an Gewicht und kehre zur vegetarischen Ernährung zurück.

2016

Ich habe mal wieder einen Gesundheitsrappel und überlege Ende des Vorjahres, was ich gesundheitlich noch an meinem verbessern könnte. Ich ernähre mich bereits vegetarisch und ausgeglichen, treibe Sport, allerdings trinke ich hin und wieder Alkohol, esse immer noch recht viel Süßes und schlafe zu wenig. Letzteres lässt sich meines Erachtens am schwierigsten ad hoc ändern, also beschließe ich Alkohol und raffinierten Zucker komplett aus meinem Speiseplan zu streichen. Da ich nach wie vor gern süß esse, probiere ich einige Alternativen für Zucker aus. Auch hier zieht Mutti mit. Mein Verlangen nach Zucker verschwindet und ich verstehe im Nachhinein gar nicht mehr, was ich eigentlich mal an Alkoholika fand. Außerdem plane ich sechs normale Mahlzeiten am Tag ein, um Gewicht zuzulegen.

2018

Der Erfolg der Gewichtszunahme bleibt aus, aber dafür vermeldet mein Zahnarzt, dass meine Zähne leichte Karies aufweisen. Das verwundert mich sehr, wo ich doch schon länger keinen raffinierten Zucker mehr konsumiere. Er klärt mich darüber auf, dass meine Zähne längere Ruhepausen, um sich zwischen Mahlzeiten zu regenerieren. Ich recherchiere und stoße und auf das intermittierende Fasten. In der Folge beschließe ich, künftig nur noch zwei große Mahlzeiten am Tag zu mir zu nehmen. Das bringt einige Vorteile mit sich: Ich brauche mir nur noch zwei statt sechs Mal am Tag zu überlegen, woher ich Essen beziehe und verbringe insgesamt weniger Zeit mit der Nahrungszubereitung und -aufnahme. Außerdem reduziere ich meine immensen Ausgaben für Lebensmittel und verspüre weniger oft Heißhunger. Und niemand mag, wenn ich Heißhunger habe.

2019

Nachdem ich etwas lockerer im Umgang mit raffiniertem Zucker zu besonderen Anlässen und auf Reisen geworden bin, beschließe ich Ende des Jahres, dass mein Zuckerkonsum insgesamt auf einem für mich akzeptablen Level angekommen ist und ich das nicht weiter zu protokollieren brauche. 

2020

Stattdessen widme ich mich im neuen Jahr noch einmal Veganismus und möchte auch hier nach und nach reduzieren. Meine Einstellung zu Nahrungsergänzung hat sich etwas gewandelt. Um es mit den Worten meines Urologen zu sagen: Wenn wider Erwarten alle Stränge reißen, kann man sich ja immer noch alle zwei Jahre eine Spritze geben lassen. Und da ich Muskeln aufbauen, aber nicht dafür noch mehr Tierleid verursachen möchte, probiere ich das doch mal mit den Proteinpulvern – denn die gibt es mittlerweile auch in vegan.

Ein Pendeln zwischen den Extremen

Im Rückblick stelle ich fest, dass ich mich öfter zwischen Extremen bewege: Erst esse ich total viel Fleisch, dann überhaupt nicht mehr. Gleiches gilt für Zucker etc. Nachdem ich beide Extreme durch habe, pendle ich mich letztlich oft in einer moderaten Mitte ein, auch wenn man den Gesundhetiseinschlag oft noch deutlich spürt.

Perfektion gelingt ohnehin in den wenigsten Fällen, denn meine Ernährung und die damit verbundene Herstellungs- und Transportkette unterliegt nicht meiner Kontrolle. Aber ich kann zumindest versuchen, mein Leben so gut als möglich zu gestalten – auch über meine Ernährung hinaus.

Dementsprechend lasse ich auch heute immer wieder Ausnahmen walten: Wenn ich missverständlicher Weise Fleisch im Restaurant serviert bekomme, esse ich es dennoch, wenn sich niemand anderes findet, weil ich es schlimmer finde, eine Tier zu töten und wegzuschmeißen, als es zu essen. Zu Feierlichkeiten, auf Reisen oder zu besonderen Anlässen verzehre ich gelegentlich wieder zuckerhaltiges, wenn es mir nicht zu süß erscheint und weniger kompliziert ist, es einfach zu essen, als die permanente Extrawurst zu sein. Und in ganz wenigen Fällen gibt es sogar mal einen Tropfen Alkohol. Das geschieht jedoch so selten, weil es genügend unalkoholische Erfrischungsgetränke gibt und ich Alkohol im Gegensatz zu süßem Geschmack tatsächlich überhaupt nicht vermisse.

Das Wesentliche in der Ernährung

Zu Beginn des Beitrags bin ich kurz auf die Grundfunktionen von Essen eingegangen. Der Titel bezieht sich nicht ohne Grund auf Minimalisten, denn das Credo Fokus auf das Wesentliche hilft mir auch bei einer gesunden Ernährung.

Nehmen wir das Beispiel Süßigkeiten: Sie versorgen uns zwar mit Energie, aber nicht mit allen nötigen Stoffen, sättigen uns auch nicht. Dennoch zieht unser Gehirn sie gegenüber einer herzhaften Mahlzeit intuitiv vor, denn es ist auf süßen Geschmack als Indikator für Energie programmiert. Allerdings braucht unser Körper Süßigkeiten nicht, auch wenn sie von der Werbung allzuoft als gesunder Snack suggeriert werden.

Der erste Schritt Richtung gesünderer Ernährung war also nach meiner Entscheidung, auf Zucker zu verzichten, denkbar einfach: Ich beschloss, mich zuerst mit all den Stoffen, die mein Körper benötigt, zu versorgen, bevor ich etwas Süßes essen würde: Durchschnittlich 2000kcal, eine Mischung aus komplexen Kohlenhydraten, Proteinen und (möglichst ungesättigten) Fetten, sowie fünf Portionen Gemüse für die Vitaminversorgung. Trotz meines gesunden Appetits bin ich dann jedoch ohnehin schon so satt, dass am Ende des Tages kein Platz mehr für Süßigkeiten bleibt.

Manche mögen nun meinen, dass Süßigkeiten doch auch ein Genuss seien und das mag freilich stimmen. Aufgrund meiner Experimentierfreude und Erfahrungen kann ich jedoch sagen: Genuss geht auch ohne raffinierten Zucker, ohne Fleisch und sogar ohne Ei- und Milchprodukte. Man braucht sich nur einmal dafür öffnen. Und wenn man zusammen isst, kommt es auch nicht darauf an, was auf dem Teller liegt.

Gleichermaßen bin ich mir sehr wohl bewusst, dass auch in unverarbeiteten Produkten Alkohol und Zucker vorkommen. Letzterer wird auch für andere Zwecke als zum Süßen verwendet, beispielsweise um Hefe in Teigen zu aktivieren. Die Dosen sind hier allerdings ganz andere und wesentlich geringer. Wie bei allem macht die Dosis das Gift. Letztlich ist das Rezept für ein gesundes Leben daher recht einfach: Lasse alles Gesundheitsschädliche so weit als möglich weg und fokussiere dich auf alles Gesundheitsfördernde: Gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf, tägliche Bewegung und Erholung.

Ketteneffekte

Praktischerweise erhöht sich mit jeder selbst auferlegten Beschränkung auch der Grad der Vereinfachung in meinem Leben. Ich bin ein äußerst wählerischer Mensch, der sich mit Entscheidungen schon mal schwer tun kann. Durch eine bewusst gewählte Diät kann ich sogar das umfangreichste Menü oft auf drei Optionen reduzieren, weil viele Auswahlmöglichkeiten bereits von vornherein ausgeschlossen werden.

Dabei bemerke ich einige Ketteneffekte, denn die beiden Aspekte Gesundheit und Nachhaltigkeit gehen oft Hand in Hand: Keinen raffinierten Zucker mehr zu essen verträgt sich auch sehr gut damit, Plastikmüll zu vermeiden, denn vor allem Süßkram ist unnötig stark verpackt. So lassen sich gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Außerdem probiere ich durch die vorläufige Begrenzung Alternativen aus, experimentiere mit anderen Zutaten und kann dann vergleichen, welche sich wofür am besten eignet. Mein Verzicht mündet daher in mehr Ideen- und Erfahrungsreichtum. Wäre ich bei meiner ursprünglichen Ernährung geblieben, würde ich 90% der mir heute vertrauten Lebensmittel nicht einmal mit Namen kennen.

Eine minimalistische Diät kann ich also wärmstens empfehlen. Hast du selbst schon einmal Erfahrung damit gemacht? Wo beschränkst du dich in der Küche bewusst für einen gesünderen Lebensstil? Schreib es gern die Kommentare.

Alles Liebe
Philipp

2 Kommentare

Antworten

  1. Wow, danke für diesen Einblick – Essen ist doch eine sehr intime Angelegenheit. Meine Ernährung hat sich auch in den – seit heute – 33 Jahren gewandelt, die ich auf der Erde verbringe. Sie wurde auf alle Fälle immer gesünder, also von daheim habe ich schon fleischarme gesunde Ernährung mitbekommen, doch die ersten Jahre des Studentenlebens, haben da doch einen Rückschritt verursacht der erst wieder selbst aufgearbeitet gehörte ;)

    Immer wieder ein Genuss – diese Doppeldeutigkeit – dein Artikel ;)

    Lieben Gruß
    Anna

    • Hallo Anna,

      alles Liebe zum Geburtstag noch. :)

      Den Gedanken, dass etwas aufgearbeitet gehört, kenne ich sehr gut! Wie oft habe ich schon gedacht: Du hast nun definitiv genug Zucker für diesen Monat / dieses Jahr / den Rest deines Lebens gehabt! :D

      Lieber Gruß aus Berlin
      Philipp

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