Mein Plan gegen den Rest der Welt

Es ist ruhig geworden hier. Das frustriert mich und liegt an einem grundlegenden Problem, das meines Erachtens immer gravierender wird, je älter ich werde: Zwar schmiede ich Pläne, allerdings leiden die immer wieder unter den Einschnitten durch die knallharte Realität. Ein kleiner Einblick in meine Psyche.

Als Kind fiel mir das ehrlich gesagt nie so deutlich auf. Womöglich hängt es damit zusammen, dass ich damals quasi nie langfristige Ziele verfolgte. Doch dann begann ich eines Tages, mir Gedanken darum zu machen, was ich eigentlich mit meinem Leben anstellen möchte, wenn ich nach zwölf Jahren nicht mehr für fünf Tage in der Woche vorgeschrieben bekäme, wie ich den Großteil meines Tages verbringen würde: In der Schule.

Anno dazumal hatte ich zumindest noch ein großes Ziel, auf das ich hinarbeitete. Das Ziel war zwar extrinsisch motiviert, aber da konnte ich ruhigen Gewissens mitgehen. Denn ich genoss es zumeist und immerhin eröffnete es mir im Anschluss die Möglichkeit, zu studieren. Außerdem hatte ich echt viel Freizeit und konnte in ebendieser meinen Interessen nachgehen und meine Hobbys voll ausleben. Das war toll!

Das Studium wählte ich selbst und auch hier hatte ich ein langfristiges und immerhin intrinsisches Ziel, in das ich mehrere Jahre investieren würde: Den Studienabschluss. Damit würde ich endlich in einem Bereich arbeiten können, der meinen Vorstellungen entspricht, und mein Hobby Film zum Beruf machen.

Tatsächlich klappte das dann auch recht schnell: Zumindest arbeitete ich fortan in der Filmindustrie. Doch ironischer Weise fühlte sich das langfristig gar nicht so erfüllend an, sondern eher wie Arbeit am Fließband. Nun versuche ich weiterhin, in meiner Freizeit meinen Interessen nachzugehen, jedoch tauchen hier auch schon die Probleme auf:

Mit 40+ Stunden Lohnarbeit pro Woche, steht es um die Freizeit ohnehin schon sehr bescheiden. Doch dabei bleibt es nicht, denn wie ich wiederkehrend feststellen darf, ist quasi mein gesamter Tages- und Wochenablauf darauf ausgerichtet, langfristig auf Arbeit zu funktionieren. In der Theorie heißt es zwar “acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit, acht Stunden Schlaf”, doch in der Praxis kommen täglich noch mehrere Stunden Grauarbeit hinzu:

  • An- und Abfahrtsweg zur Arbeit
  • die Pausenzeit, in der ich mitnichten meinen Interessen nachgehe, sondern durch Nahrungsaufnahme und durchatmen nur dafür sorge, dass ich die nächste Person, die mich bei der Arbeit unterbricht, nicht anschreie
  • die Zeit, die ich zu Hause investiere, um auf Arbeit etwas zu Essen zu haben

Unabhängig von der Arbeit, versuche ich dann noch, auf eine gesunde Ernährung zu achten, regelmäßig Sport zu machen und die Hygiene an meinem Körper und in der Wohnung aufrechtzuerhalten. Ja, diese Dinge sind mir alle wichtig, aber vordergründig handelt es sich hierbei um Selbsterhaltungsmaßnahmen, die dazu führen sollen, dass mein Körper möglichst lang intakt bleibt. Mit meinen Interessen hat dies erstmal überhaupt nichts zu tun. Von meiner “Freizeit” geht es trotzdem ab. Erst als Erwachsener verstehe ich, wie stark meine Eltern früher meinen Rücken freigehalten haben und bin ihnen unendlich dankbar dafür!

Meine Interessen teilen sich dann noch Zeit mit meinen sozialen Kontakten. Die mag ich gern, auch wenn sie mich immer wieder davon abhalten, das zu tun, was ich mir eigentlich vorgenommen habe. Und so schrumpft die Zeit, die mir verbleibt, um meinen Interessen nachzugehen, auf einen Bruchteil der versprochenen acht Stunden am Tag zusammen – zumeist auf Null. Gleichzeitig wächst der Stapel der Dinge, die ich vorhabe, ins Unermessliche. Das baut wiederum einen äußerst unangenehmen Druck von innen auf, der mich in ein Dilemma stürzt:

Soll ich nun…

… einfach weiter funktionieren?

… meine physische Gesundheit vernachlässigen, um meine psychische besser zu pflegen?

… meinem Sozialleben entsagen und mich in ein von der Zivilisation abgeschiedenes Kloster begeben, um dafür endlich meinen Interessen nachgehen zu können?

Eine allgemein gültige Lösung kann ich nicht anbieten. Manche weise Menschen Ü50 behaupten gelegentlich, sie müssten sich selbst nichts mehr beweisen. Doch der Rest meines Lebens kann doch nun nicht darin bestehen, einfach weiterzulaufen, ohne meinen selbst gesteckten Zielen näher zu kommen! Wie bisher geht es jedenfalls nicht weiter und ein paar Ansätze habe ich schon für mich ausgemacht:

  1. Ich brauche einen klaren Schnitt und Abstand.
  2. Auch wenn es mir schwer fällt, muss ich meine Erwartungen an mich selbst herunterschrauben.
  3. “Vollzeit” á la 40+ Stunden pro Woche funktionieren für mich langfristig nur, wenn…
    1. … ein intrinsisches Interesse meinerseits bedient wird.
    2. … sich jemand anderes um die ganze Grauarbeit in meinem Leben kümmert.

Der letzte Punkt mag zunächst abgehoben klingen, greift meines Erachtens aber ein wesentliches Problem in unserer Gesellschaft auf. Dank meiner preusisch-protestantischen Erziehung, liegt es mir im Blut, stolz darauf zu sein, alles selbst zu schaffen. Wie sagt man so schön: Das bisschen Haushalt macht sich doch von allein! Doch zu welchem Preis?

Von “klassischer Rollenverteilung” innerhalb einer Familie halte ich zwar nichts, aber es war schon begründet, dass sich ein Teil der Familie um das Einkommen und der andere um Haushalt und Pflege kümmert. Gedacht werden kann dieses Konzept auch geschlechtsunabhängig. Rein vom Aufwand würde ich es sogar auf mindestens drei Personen erweitern; je eine Person für Einkommen, Haushalt und Pflege, denn jeder dieser drei Bereiche ist fordernd und für sich schon genug.

Die meisten Partnerschaften beinhalten jedoch nur zwei Personen. Idee: Haushaltshilfe oder Pflegepersonal. Knackpunkt: Die wenigsten Menschen können sich das leisten, obwohl beide Partner*innen “Vollzeit” arbeiten. Sollte eine wirklich faire Entlohnung das nicht abdecken?

In der Filmbranche erlebe ich das zumindest in Ansätzen ständig, denn in einer laufenden Produktion bleibt keine Zeit dafür, sich beispielsweise um Essen zu kümmern. Deshalb gibt es Catering am Set: Früh, mittags, an langen Tagen abends und sowieso auch zwischendurch – nicht nur für prominente Schauspieler*innen, auch für Set-Runner. Auch sonst kümmern sich Stab und Sternchen nicht um den Ablauf des Tages, denn eine Disposition gibt ihnen alles vor, damit sie sich auf das Wesentliche konzentrieren können.

Auf den Punkt gebracht: Künftig möchte ich mehr delegieren und streichen, um mehr Raum für das Wesentliche in meinem Leben zu haben.

Nun freue ich mich über Tipps und Inspiration, wie du dein Leben jonglierst, ohne die Bälle fallen zu lassen und deine Ziele aus den Augen zu verlieren! Teile sie gern in den Kommentaren.

Alles Liebe
Philipp

4 Kommentare

Antworten

  1. Wenn das Deligieren so aussieht, dass man es bezahlen muss, dann beißt sich die Katze quasi in den Schwanz: Arbeiten gehen, damit man sich die Arbeitsersparnis leisten kann.
    Es sind dann auch nicht nur die langen Arbeitstage, sondern wie sie gefüllt sind. Ich erinnere mich, dass es da mal ein paar Jahre lang nicht so stressig war in meinem Berufsleben. Da ging es mir mit der Vollzeitstelle und der wenigen Zeit deutlich besser, als später mit Teilzeit und jeder Menge Stress, Druck, Arbeitsverdichtung, Multitasking.

    • Hallo Gabi,

      da hast du Recht. Letztendlich zahlen wir für alles und delegieren bereits jetzt im Alltag ziemlich viel, auch wenn es uns nicht bewusst ist: Anbau, Pflege, Ernte und Anlieferung von Obst und Gemüse zum Beispiel, speisen im Restaurant oder Imbiss oder die Lieferung eines Buches von einer entfernt gelegenem Bibliothek in die Bibliothek um die Ecke.

      Die Frage ist, was es uns persönlich wert ist, Zeit zurückzugewinnen. Die Anlieferung eines Buches aus einer Bibliothek am anderen Ende der Stadt habe ich neulich zum ersten Mal in Anspruch genommen. Das kostet mich inklusive Rücktransport 2,50€. Sonst hätte ich für das Buch in Summe vier Stunden Fahrtweg innerhalb Berlins auf mich nehmen müssen.

      Am Ende hängt das natürlich auch von den Gehältern ab – sowohl dem eigenen als auch dem der Dienstleistenden.

      Ja, und auch Verdichtung ist hier ein relevantes Thema, meines Erachtens jedoch auch privat. Insofern wünschte ich mir manchmal etwas weniger Bedürfnis nach Tun. Das allein würde sicherlich helfen.

      Lieber Gruß
      Philipp

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