Dieser Frühling gestaltete sich in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Alles in allem fand ich das aber gar nicht schlecht. Hier sind meine, zugegebener Maßen seichten, Highlights.

+ ANALOG +

Reisestopp

Direkt nachdem ich von meiner letzten Reise nach Berlin zurückgekehrt war, wurden die Grenzen geschlossen und sämtlicher Reiseverkehr (insbesondere für private Reisen) eingestellt. Im beruflichen Umfeld wurden alles auf digitale Konferenzen umgestellt. Warum das nicht schon früher genutzt wurde, ist mir ein Rätsel. Sogar mein Hebräischunterricht findet nun online statt.

Es wurden aber nicht nur alle Fernreisen gestrichen, sondern auch die kleinen Reisen des Alltags komplett eingestellt. Seit mehr als 2½ Monaten habe ich Berlin nicht mehr verlassen. Dass ich mich so lang an einem Ort aufhalte, hat es wahrlich seit meiner Schulzeit nicht mehr gegeben. Alles hat sich eher auf Lokalität fokussiert. Zum Glück gibt es in Berlin genug zu sehen und zu entdecken. Allerdings habe ich seit der letzten Reise, von der ich heute noch zehre, auch meine Familie und viele Freunde nicht mehr gesehen. Entsprechend gern denke ich an die gemeinsamen Tage auf der Ferienhütte zurück.

Da ich im Sommer Urlaub habe und trotzdem ein wenig verreisen mag, – zumindest im derzeit möglichen Umfang – habe ich mir einen langjährigen Wunsch erfüllt und endlich ein mobiles Kayak zugelegt. Also werde ich in den nächsten Wochen und Monaten verstärkt die heimischen Gewässer erkunden und Berlin von einer neuen Perspektive kennenlernen.

Systemkollaps

Zu Recht kann ich behaupten, dass ich noch nie einen solch raschen Zusammenbruch des Systems an der eigenen Haut miterlebt habe. Dabei bin ich bisher recht glimpflich, sogar mit einigen Vorzügen, davongekommen. Wie plötzlich sämtliche Wirtschaft aufgrund eines Virus kollabiert, ist je nach Perspektive tragisch, unterhaltsam oder lehrreich. Optimist, der ich bin, betrachte ich die Situation mit einer positiven Sichtweise:

  1. Ändern können wir an der Lage als Einzelperson nichts. Wir können uns nur angemessen achtsam verhalten und das Beste daraus machen.
  2. Das bisherige System funktioniert offensichtlich nicht. Jetzt wäre eine gute Möglichkeit, Mängel zu beheben, anstatt schnellstmöglich zur “Normalität” zurückzukehren.
  3. Viele Menschen werden gerade zu einem drastischen Innehalten gezwungen. Das lässt viel Raum für Reflexion, was uns im Leben wirklich wichtig ist.

Ich gehöre definitiv zu diesen Menschen. Da meine Arbeit weder systemrelevant, noch systemkritisch ist (wenn man von meiner Systemkritik absieht, aber das zähle ich eher zu ehrenamtlicher Tätigkeit), habe ich in den letzten Monaten die wahrscheinlich einmalige Möglichkeit gehabt, in großem Maße Überstunden abzubauen. Das war auch dringend nötig. Jetzt brauche ich nur darauf zu achten, künftig gar nicht erst solch eine große Menge entstehen zu lassen.

Trautes Heim, Glück allein?

Besagten Beschränkungen zur Folge habe ich viel Zeit zu Hause verbracht: Arbeit im Home Office, Hebräischunterricht via Video und in der Freizeit konnte man bis auf die letzte Maiwoche auch nirgends so wirklich hin. Natürlich ist mir die Decke auf den Kopf gefallen und Konflikte wegen Kleinigkeiten waren vorprogrammiert, nicht wenige davon aufgrund meiner Misophonie.

Dafür war Raum für andere Dinge: Spaziergänge in der Stadt sind ebenso in den Fokus gerückt wie Gesellschaftsspiele. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so viele neue Spiele in solch einem überschaubaren Zeitraum gespielt zu haben. Und zuletzt habe ich sogar angefangen, selbst eins zu entwickeln.

Auch für einige Arbeiten zu Hause hat sich überraschend viel Raum finden lassen:

  • Wohnung streichen
  • Wohnung einrichten
  • Backofen anschließen
  • Balkon begrünen
  • Fortsetzung folgt

Darüber hinaus gehöre auch ich zu denjenigen, die zum allgemeinen Ausverkauf von Mehl und Hefe beitragen, denn mit dem endlich angeschlossenen Ofen, stehen mir plötzlich wieder alle Freuden des Backhandwerks offen. Da wir recht viel Geld für gutes Brot ausgeben, hielt ich es für einen guten Zeitpunkt, um selbst zu erlernen, wie ich das hinbekomme. Praktischer Weise gibt es bei der hiesigen Bäckerei meines Vertrauens Anstellgut für Sauerteige kostenlos auf die Hand. Deshalb konnte ich auch direkt loslegen. Bis zum richtig guten Brot werden allerdings noch einige Laiben gebacken werden.

Foto Sonnenuntergang im Viktoriapark

– DIGITAL –

Corona sei Dank, gibt es dieses Mal eine recht große Auswahl. Eurovision hat es leider nicht reingeschafft. Ich finde gut, dass mit digitalen Formaten experimentiert wird. Wie das bei Experimenten so üblich ist, gibt es dann eben auch ein paar Rückschläge. Im Fall vom ESC hat sich mir bewiesen: Rein digital ohne Publikum lahmt es eher. Deshalb habe ich letztlich auch nach 20 Minuten abgeschalten. Andere Inhalte konnten dafür umso mehr meine Aufmerksamkeit binden.

Rettung der Welt

Seit der Tötung von George Floyd rückt Rassismus endlich wieder in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit, dem er gebührt, und wir dürfen lernen, dass es noch etlichen Aufholbedarf gibt, um systematische Benachteiligung von People of Colour (PoC) abzubauen. Dafür wird es nicht nur das Engagement von jedem einzelnen von uns, sondern einen Systemwandel benötigen. Traurig, dass für diese Publizität des Themas erst ein Mensch sein Leben verlieren musste.

Die systematische Benachteiligung einzelner Bevölkerungsgruppen zeigt sich nicht nur in den USA, sondern ebenfalls bei uns in Europa, auch in Deutschland. Oft bekommen wir das nur nicht mit, weil in unserer eigenen Blase leben. Schockierend und überraschend finde ich beispielsweise immer wieder, was Frauen im Alltag widerfährt – in unserer doch so emanzipierten, gleichberechtigten Welt. Männerwelten gibt Einblicke in Form eines temporären Museums.

Wasserwelten

Wasser fasziniert mich. Womöglich sind deshalb auch recht viele wasserbezogene digitale Highlights dabei:

  • Apnoetauchen (Tauchen ohne Ausrüstung zur Beatmung) zieht mich in seinen Bann, auch wenn ich mir als Laie gar nicht vorstellen kann, solang die Luft anzuhalten und komplett ohne Ausrüstung in die Tiefen des Meeres hinabzuschweben. Freilich benötigt das Training. Selbst einen Tauchgang zu unternehmen, kommt solch ein Video freilich nicht gleich, aber die Eindrücke sind nichtsdestotrotz atemberaubend.
  • Ebenso exotisch, allerdings an Land spielen sich die Videos des YouTube-Kanals Jungle Survival ab. In denen kann man zwei Menschen aus Singapur dabei zu schauen kann, wie sie inmitten des Dschungels phänomenale Pools von Hand bauen. Was das mit dem Überleben vor Ort zu tun hat, leuchtet mir zwar noch nicht ein, aber so eine kleine Badeoase á la Relic Hunter hätte ich schon auch gern.
  • Zur anschließenden Erheiterung lege ich noch dieses Video von reinszenierten Szenen aus der Zeichentrickserie Spongebob Schwammkopf nahe, in der die originalen Sprecher.innen hinter den Charakteren nicht nur mit ihren Stimmen, sondern ihrem gesamten Körper spielen.

Anders sein

Social Media und ich werden nicht so recht dick miteinander. Vielleicht könnte ein Netzwerk abseits des Mainstreams wie Kind Words das ja ändern?

Ebenfalls im Mainstream angekommen ist mittlerweile sogar Minimalismus. Umso erfrischender finde ich es, wenn Menschen seine realistische Seite präsentieren, anstatt ihn zu dramtisieren, überzustilisieren und zu vermarkten. Das gelingt Pascal Erb unter anderem in diesem Video sehr gut. Und dieser Schweizer Dialekt erst! <3

Minimalismus hilft mir auch mit meiner Misophonie: Ich versuche, Geräusche in meiner Umgebung auf das nötige Minimum zu beschränken. Bei anderen stößt das oft auf Unverständnis. Leider ist Misophonie nämlich noch nicht allgemein hin bekannt. Hin und wieder suche ich also nach Menschen, die ebenfalls daunter leiden. Falls du dich einmal in einen an Misophonie leidenden Menschen hereinversetzen möchtest, empfehle ich diesen Beitrag.

Foto Froschperspektive Wasserturm Prenzlauer Berg

# FOKUS #

Anfang des Jahres klappte es noch äußerst gut mit dem Fokus. Im Frühling verflüchtigte sich das leider etwas. Auf Reisen habe ich keine wirklich Routine, doch darum geht es beim Reisen ja auch. Dann kam auch schon Corona und alles bedurfte neuer Ordnung. Kaum hatte ich mich an die Corona-Umstände gewöhnt, kamen auch schon wieder die ersten Lockerungen und damit eine annähernde Rückkehr zur Routine vorm Urlaub. Damit kämpfe ich gerade noch.

Worauf lag mein Fokus also mehr und weniger:

  • Kreativität – In puncto Ziele in Ordnung, in puncto Effizienz stark ausbaufähig.
  • Lernen – Es hängt an allen Ecken und Enden.
  • Pünktlichkeit – Ich arbeite dran. Immer noch. Oft schaffe ich den Absprung nicht, damit aufzuhören, was ich gerade tue. Dabei sehne ich mir sooft ebendiesen Flow herbei. Doch was nützt es, wenn er zum falschen Zeitpunkt kommt?
  • Sport – Klappte trotz Corona erstaunlich gut, besser als je zuvor in diesem Jahr sogar.
  • Veganer Monat Mai – Ging erstaunlich leicht von der Hand. Entsprechend zuversichtlich bin, dass ich künftig meine vegane Quote auch erreiche, ohne komplett vegan zu leben.
Foto Spreeblick bei Sonnenuntergang

// DIE AUSSSICHTEN FÜR DEN SOMMER 2020 //

Alle fahren auf Sicht. In Berlin wirkt es zwar, als sei (fast) alles wie vor Corona, doch ich kann mir wahrlich nicht vorstellen, dass das schon überstanden sein soll. Ein paar Ausflüge habe ich trotz aller Auflagen vor, manche nah, manche mittel-fern. Doch dazu ein anderes Mal mehr.

Wie fühlte sich dieser von Corona überschattete Frühling für dich an? Und wie kommst du mit den wechselnden Umständen und deinen damit verbundenen Routinen klar?

Alles Liebe
Philipp

Dieser Beitrag ist Teil der Reihe Handverlesen.